Von Verständnis bis Ablehnung

Als Jürgen Klopp im September beim Abschiedsspiel der früheren BVB-Profis Jakub Blaszczykowski und Lukasz Piszczek noch einmal auf der Bank von Borussia Dortmund seinen früheren Platz einnahm, wurde er von den Anhängern der Schwarz-Gelben auf der Südtribüne im einstigen Westfalenstadion mit viel Applaus begrüßt. Doch diese Huldigungen waren erblasst, als kurz darauf von den Medien über die baldige Tätigkeit des verflossenen Impresario des Revierclubs beim österreichischen Brauseproduzenten mit seinem Steckenpferd für den Berufssport informiert wurde.

Anmerkungen zu Jürgen Klopp

Begeisterung einst auch in Lippstadt für Jürgen Klopp:
Hans Zaremba (links) und Bernhard Scholl trafen den damaligen BVB-Trainer im Dezember 2011 bei einer vorweihnachtlichen Zusammenkunft im einstigen Westfalenstadion.
Archiv-Foto: Sammlung Hans Zaremba

Fingerzeige

Während einige aus der Kicker-Szene – wie die jüngste Doppelpass-Runde bei Sport 1 – für die Entscheidung des vom Juli 2008 bis zum Mai 2015 bei Borussia Dortmund und vom Herbst 2015 bis zum Frühjahr 2024 beim FC Liverpool erfolgreichen Coachs Verständnis zeigten, stieß sie bei Fußball-Anhängern auf breite Ablehnung. Recht drastisch waren die Worte des Ex-Profis des BVB, Kevin Großkreutz, der unter der Regie des früheren Mainzers mit der Borussia in 2011 und 2012 zwei deutsche Meisterschaften feierte: „Als Fan muss ich ihn nicht mehr vor der Süd sehen. Wenn wir uns treffen, werde ich ihm persönlich sagen, dass ich es scheiße finde, dass er so etwas macht.“ Ähnliche Fingerzeige waren ebenso aus der Mitte der Lippstädter „Optimisten“ zu vernehmen, die eine Vielzahl von Partien ihres bevorzugten Clubs mit Jürgen Klopp als Betreuer in und außerhalb von Dortmund begleitet haben. Sie reichten von „Dann können wir uns das Geld für sein Denkmal vor dem Westfalenstadion sparen“ bis zu „Was ich nie verstehen werde, das sind alles Millionäre und kriegen den Hals nicht voll“.

Enttäuschung

Bei „Schwatzgelb“, eine Plattform für BVB-Sympathisanten im Internet, war die Enttäuschung über den neuen Job des Sportwissenschaftlers beim Getränke-Unternehmen riesig, weil man vom gewesenen BVB-Trainer einfach mehr erwartet habe. „Er ist ein Typ, der an der Seitenlinie vor Leidenschaft brennt. Einer, der Energie daraus zieht, wenn das Stadion rund um herum tobt und auf dem Rasen die Post abgeht. Einer, der sich dem Wettbewerb nicht nur stellt, sondern ihn liebt.“ Damit, so die Haltung des Fanzine von Borussia Dortmund, sollten ihm doch eigentlich der Wettbewerb und sein Erhalt eine Herzensangelegenheit sein. Für viele der treuesten Freunde des Fußballs steht der Konzern mit Sitz in Fuschl am See in Österreich, der in Deutschland die Rasenballsportler aus Leipzig fördert, vor allem für Kommerz und nicht für Emotion und Leidenschaft. Obwohl das sächsische Team aus sportlicher Sicht eine Bereicherung für die Bundesliga darstellt, wird der Club vom überwiegenden Teil der Fans in der Bundesrepublik abgelehnt. Für sie gilt der Verein aus Leipzig als die verkörperte Aushebelung der „50+1“-Regel. Jene Vorgabe, die dafür sorgt, dass Investoren oder Unternehmen nie die komplette Kontrolle über einen Fußballclub erlangen können.

Kommerzialisierung

Der in Mainz als aktiver Fußballer seine Karriere startete, hat für die meisten seiner Verehrer mehr als zwei Jahrzehnte exakt das Gegenteil vertreten. Kurzum: Jürgen Klopp stand für Tradition. Ebenso zeigen sich seine bisherigen Gefolgsleute darüber erstaunt, dass der heute 57-jährige ehedem für „echten“ Fußball eintrat und sich gegen den von vielen Stadionbesuchern reserviert betrachteten ausufernden Kommerz positionierte, nun bei einem Konstrukt angeheuert hat, das genau für das steht, was er einst verachtete. Folglich sind im weltweiten Netz viele missbilligende und durchaus zutreffende Töne zu registrieren. So meinte ein User: „Das war’s dann wohl mit meiner Sympathie für Klopp. Habe den Glauben an das Gute verloren.“ Ein anderer äußerte: „Sein Lebenswerk und praktische universelle Sympathie im Heimatland so leichtfertig wegzuwerfen muss einem erstmal einer nachmachen.“

Hans Zaremba