Erinnerung an Louis Gutmann

Bis zur Machtübernahme der braunen Diktatur im Januar 1933 und der damit einsetzenden Verfolgung waren Menschen jüdischen Glaubens in Wadersloh ein fester und anerkannter Teil des Lebens des Dorfes am Rande des Münsterlandes. Einer von ihnen war der Kaufmann Louis Gutmann (1877-1966), der vor 100 Jahren in der landwirtschaftlich geprägten Gemeinde Schützenkönig wurde. Daran wurde am vergangenen Wochenende bei der 162. Auflage des Festes der St. Margarethen Schützen in Wadersloh erinnert.

Wadersloher Schützenkönig in 1925

Im von der Familie Karger in der Überwasserstraße in den 1950er Jahren erworbenen Haus, in dem sich heute ein Grillrestaurant befindet, lebte und arbeitete die Familie Gutmann.
Sie betrieb dort bis zu ihrer Vertreibung durch die braunen Diktatoren ein Modegeschäft. Ganz oben unter der Bedachung des Gebäudes ist dies noch zu erkennen.
Foto: Hans Zaremba

Verfolgung durch das braune Regime

Im von Hans-Josef Kellner (1944-2017) veröffentlichten Buch „Die vergessenen Nachbarn – Wer Kennt sie noch?“ schildert der einstige stellvertretende Leiter des Wadersloher Gymnasiums Johanneum die Geschichte der jüdischen Familien in Wadersloh. In dem 464 Seiten umfassenden Werk beschreibt der Autor unter anderem das Leben der Familie Gutmann, die in der Überwasserstraße 5 ein Geschäft für Modewaren betrieb. Der Kaufmann Louis Gutmann, in Wadersloh geboren und der als Soldat den Ersten Weltkrieg unbeschadet überstanden hatte, war in seinem Heimatort hoch angesehen und geschäftlich erfolgreich. Kellner, von 1990 bis 2010 Vorsitzender des Wadersloher Heimatsvereins, blickt mit der in 2012 publizierten Lektüre auf das vor einem Jahrhundert am 26. und 27. Juli 1925 auf der Wiese von Eusterschulte veranstaltete Schützenfest, bei dem Louis Gutmann die Königswürde erlangte. Ihm als Regent Louis I. wurde bei seiner Proklamation zum Antritt seiner Amtszeit gewünscht, dass „wir ruhige und friedliche Zeiten erleben und einer glücklichen Zukunft entgegengehen“. Doch dieses Verlangen nach verträglichen Zeiten war bereits zehn Jahre nach der Königswürde von Louis Gutmann mit der schrittweisen Ausgrenzung von Wadersloher Bürgerinnen und Bürger mit jüdischer Religion jäh beendet. In der deutschlandweiten Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1939 kam es auch in Wadersloh zu gewaltsamen Angriffen auf die jüdische Bevölkerung. Betroffen davon war ebenso der Schützenkönig des Jahres 1925, als die Schergen des NS-Regime ins von ihm errichtete Geschäftshaus eindrangen, Schaufenster und Türen des Gebäudes im Dorfzentrum zerstörten und den Inhaber mit Faustschlägen attackierten.

Flucht in die Vereinigten Staaten

Das benachbarte und gleichfalls von Gutmann geschaffene Haus mit einem Betsaal wurde in der Pogromnacht so stark beschädigt, dass es abgebrochen werden musste. Zuvor hatten überwiegend junge Juden Deutschland verlassen, um der zunehmenden Bosheiten der Häscher der Nazis zu entgehen. So auch die Tochter von Louis Gutmann, Theresia, die 1937 ihrem Verlobten Otto Strauss in die Vereinigten Staaten von Amerika gefolgt war. Zudem ihre Geschwister Fritz, Lina und Hans, während der Bruder Max nach seiner Deportation 1941 in Minsk ermordet wurde. Das Schicksal des in Wadersloh geborenen Louis Gutmann, der aufgrund der Verfolgung durch die Tyrannen der Nazis in 1941 mit seiner Frau Emma (1883-1975) nach New York fliehen musste, wurde am Montagvormittag in der traditionellen Schützenmesse vor dem Vogelschießen durch den Pfarrer Martin Klüsener betrachtet. In seiner Predigt bezog sich der katholische Geistliche auf die Worte der im Mai im Alter von 103 Jahre verstorbenen Holocaustüberlebenden Margot Friedländer „Seid Menschen. Seit vernünftig.“ Und der Pastor fügte mit Blick auf die Gegenwart zutreffend hinzu: „Menschlichkeit und Vernunft brauchen wir in einer Zeit, in der Populismus laut wird und die Gesellschaft immer größere Risse erhält.“ Lobende Worte fand Klüsener in seiner Rede für den Schützenverein, den er als Gegenmodell bezeichnete und für Heimatverbundenheit, Tradition, Gemeinschaft und Feiern stehe. Das Festhochamt wurde über YouTube live aus der Pfarrkirche St. Margareta übertragen. Laut des stellvertretenden Vormanns der Wadersloher Schützen, Major Michael Bernzen, habe es rund 450 Klicks gegeben.

Hans Zaremba