Blick auf die Geschichte und Ergebnisse der Europawahlen
Die erste Direktwahl des Europäischen Parlamentes (EP) fand in den Tagen vom 7. bis 10. Juni 1979 statt. Damals gehörten nur neun Mitgliedstaaten zur Europäischen Gemeinschaft (EG). Die Europäische Union (EU) gab es in 1979 noch nicht, sie wurde erst in 1992 gegründet. Vor 1979 existierte zwar auch schon ein EP, welches aber nicht direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wurde. Die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten entsandten bis 1979 ihre eigenen Abgeordneten, die dann Angehörige ihrer nationalen Parlamente und des europäischen Parlaments in Personalunion waren.
Sozialisten stärkste Fraktion
Bei der Europawahl im Juni 1979 gelangten 410 Personen ins Europaparlament. Stärkste Fraktion wurde die Sozialistische Gruppe mit 113 Sitzen vor der Europäischen Volkspartei (Christlich-Demokratische Fraktion, 107 Sitze) und der Fraktion der europäischen Demokraten (Konservative, 64 Sitze). Die Kommunisten und die ihnen nahestehenden Parlamentarier wurden mit 44 Sitzen viertstärkste Fraktion vor der Liberalen und Demokratischen Fraktion (40 Sitze). Auch bei der zweiten Direktwahl des Europaparlaments im Juni 1984 wurden erneut die Sozialisten stärkste Fraktion und der einstige von der SPD gestellte Frankfurter Oberbürgermeister Rudi Arndt (1927-2004) ihr Vorsitzender. Auf den zweiten Rang kamen die Christdemokraten. Unterdessen war das Parlament auf 434 Sitze angewachsen. Erstmals mit von der Partie waren die Grünen und Regionalisten, die mit 20 Abgeordneten die Regenbogenfraktion bildeten. Ihre führende Position als stärkste Fraktion konnten die Sozialisten mit 180 der insgesamt 518 Parlamentssitze bei der Europawahl im Juni 1989 behaupten. Als Spitzenkandidaten hatte die deutsche Sozialdemokratie den Schleswig-Holsteiner Gerd Walter aufgeboten. Die Erfolgsserie der Sozialisten setzte sich auch bei der vierten Direktwahl des Europaparlaments im Juni 1994 fort, als der Parteien-Verbund mit den deutschen Sozialdemokraten von den zu vergebenen 567 Sitzen 198 Mandate gewinnen konnte. Für die SPD war aus Nordrhein-Westfalen Klaus Hänsch als Spitzenkandidat angetreten, der von 1994 bis 1997 dem Parlament als Präsident vorstand.
Umkehr des Wahlverhaltens
Die fünfte Direktwahl zum EP im Juni 1999 war die erste Wahl nach dem Beitritt von Österreich, Finnland und Schweden zur EG mit der Erweiterung auf 15 EU-Staaten. Dabei wurde erstmals die konservative Europäische Volkspartei stärkste Fraktion vor den europäischen Sozialdemokraten. SPD-Spitzenkandidat war wieder Klaus Hänsch. Fünf Jahre später – im Juni 2004 bei der sechsten Direktwahl – hatte die SPD Martin Schulz als Spitzenkandidaten nominiert. Sein zuvor geringer Bekanntheitsgrad war seit 2003 durch seine politischen Attacken gegen den umstrittenen italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi (1936-2023) zunehmend größer geworden. Bei den Wahlen in 2004 konnten die Christdemokraten und Konservativen ihre führende Position gegenüber den Sozialdemokraten und Sozialisten verteidigen. Bei der Europawahl 2009 nahmen alle 27 Mitgliedsstaaten der 2007 erweiterten EU teil. Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) verteidigte ihre Position als stärkste Partei, während die Sozialdemokratische Partei Europa (SPE) deutliche Verluste erlitt. Die größten Zugewinne holte die Europäische Grüne Partei (EGP), aber auch EU-skeptische und rechtsextreme Parteien konnten in mehreren Ländern Gewinne verbuchen. Bei der Europawahl in 2014 trat Martin Schulz zum dritten Mal als SPD-Spitzenkandidat an. Auf der europäischen Ebene bestätigte sich der seit 1999 festzustellende Trend der führenden Position der Europäischen Volkspartei gegenüber den Sozialdemokraten. Verheerend war in 2019 das Ergebnis der deutschen Sozialdemokraten, die lediglich auf 15,8 Prozent kamen. In der Folge verabschiedete sich Andrea Nahles von ihren SPD-Funktionen als Vorsitzende der Bundespartei und Bundestagsfraktion. Auf der europäischen Ebene lagen erneut die Christdemokraten vor den Sozialdemokraten.
Hans Zaremba